Ein Vergleich der Machtbegriffe von Platon und Machiavelli

Veröffentlicht am 1. Juni 2024 um 18:31
Mutige Macht. Die erhobene Faust als einfaches, starkes Piktogramm, das Autorität und Stärke symbolisiert

Die Konzepte von Macht und Herrschaft wurden im Laufe der Geschichte von vielen Philosophen untersucht. Zwei der einflussreichsten Denker, die sich intensiv mit diesen Themen auseinandersetzten, waren Platon und Niccolò Machiavelli. Während Platon im antiken Griechenland lebte und seine Ideen in seinem Werk 'Politeia' ('Der Staat') darlegte, stammte Machiavelli aus dem Italien der Renaissance und schrieb zu dieser Zeit sein wohl berühmtestes Buch 'Il Principe' ('Der Fürst'). Trotz der zeitlichen und kulturellen Unterschiede bieten beide Werke faszinierende Einblicke in die Natur der Macht.

Platon: Macht durch Weisheit und Tugend

Platon, der im 4. Jahrhundert v. Chr. lebte, entwickelte in seiner 'Politeia' eine idealistische Vision von Macht und Herrschaft. Sein Idealstaat wird von Philosophenkönigen regiert, die durch Weisheit, Tugend und Gerechtigkeit ausgezeichnet sind.

  1. Philosophenkönige
    Platon vertritt die Ansicht, dass nur Philosophen, die die Wahrheit und die Ideenwelt verstehen, geeignet sind, zu herrschen. Ihre Herrschaft basiert auf Weisheit und ihrer Einsicht in das Gute.
  2. Moralische Integrität
    Die Macht der Herrschenden muss auf ethischen Prinzipien und moralischer Integrität beruhen. Die Philosophenkönige sind dazu verpflichtet, das Wohl des Staates über ihre eigenen Interessen zu stellen.
  3. Erziehung und Tugend
    Eine gründliche und langjährige Ausbildung ist notwendig, um die Herrscher auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Diese Ausbildung zielt darauf ab, sowohl intellektuelle als auch moralische Tugenden zu entwickeln.
  4. Das Gemeinwohl
    Der Fokus allen Handelns der Philosphenkönige liegt auf dem Wohl der Gemeinschaft. Eine der Hauptaufgaben der Herrschenden ist es, sicherzustellen, dass die verschiedenen Klassen im Staat harmonisch zusammenarbeiten und jeder seine Rolle entsprechend seiner Fähigkeiten erfüllt.

Machiavelli: Macht durch Realismus und Pragmatismus

Niccolò Machiavelli, der im 15. und 16. Jahrhundert lebte, präsentierte in 'Il Principe' eine pragmatische und oft als zynisch betrachtete Sichtweise auf Macht und Herrschaft.

  1. Realismus und Pragmatismus
    Machiavelli betont die Notwendigkeit, die politische Realität anzuerkennen und pragmatisch zu handeln. Ein Herrscher muss bereit sein, alles Notwendige zu tun, um seine Macht zu erhalten.
  2. Virtù und Fortuna
    Macht hängt sowohl von den Fähigkeiten und der Entschlossenheit des Herrschers (Virtù) als auch von den äußeren Umständen und dem Glück (Fortuna) ab. Ein erfolgreicher Herrscher nutzt seine Talente, um die Umstände zu seinen Gunsten zu wenden.
  3. Der Zweck heiligt die Mittel
    Moralische Bedenken sind oft zweitrangig gegenüber der Notwendigkeit, Macht zu sichern und zu festigen. Täuschung, List und Gewalt können gerechtfertigt sein, wenn sie dem Erhalt der Herrschaft dienen.
  4. Die Bedeutung der Furcht
    Machiavelli argumentiert, dass es sicherer ist, gefürchtet als geliebt zu werden. Furcht ist ein wirksames Mittel, um Gehorsam und Loyalität zu erzwingen, solange sie nicht in Hass umschlägt.

Ein Vergleich der Machtbegriffe

1. Grundlagen der Macht

Platon
Macht basiert auf Weisheit, Tugend und moralischer Integrität. Die Herrscher sind Philosophen, die das Wohl der Gemeinschaft   über ihre eigenen Interessen stellen.

Machiavelli
Macht basiert auf Realismus, Pragmatismus und der Fähigkeit, die jeweiligen Umstände zu meistern. Moralische Bedenken sind   sekundär gegenüber der Notwendigkeit, die Macht zu sichern.

2. Ziel der Herrschaft

Platon
Das Ziel der Herrschaft ist das Gemeinwohl und die Gerechtigkeit. Die Herrscher sollen eine harmonische und gerechte Gesellschaft fördern.

Machiavelli
Das Ziel der Herrschaft ist die Erhaltung und Stärkung der Macht. Die Erfolge des Herrschers rechtfertigten gleichzeitig seine Mittel, die er einsetzte, um zu seinem Ziel zu gelangen.

3. Moral und Ethik

Platon
Moralische Integrität ist die zentrale Eigenschaft, um Herrschaft ausüben zu können. Die Herrscher müssen ethische Prinzipien einhalten und tugendhaft handeln.

Machiavelli
Moralische Integrität ist zweitrangig. Ein Herrscher muss bereit sein, unethische Mittel zu verwenden, wenn es die Situation erfordert.

4. Methode der Herrschaft

Platon
Herrschaft durch Erziehung, Weisheit und ethische Führung. Die Herrscher sind philosophisch geschulte Individuen, die in der Lage sind, gerechte Entscheidungen zu treffen.

Machiavelli
Herrschaft durch Täuschung, List und gelegentliche Gewalt. Ein Herrscher muss flexibel und anpassungsfähig sein und auch harte Maßnahmen ergreifen können.

Fazit

Platon und Machiavelli bieten zwei sehr unterschiedliche Ansätze zu Macht und Herrschaft. Platon idealisiert die Macht als Ausdruck von Weisheit und Tugend, während Machiavelli eine realistische und pragmatische Sichtweise vertritt, die oft moralische Kompromisse zulässt.
Beide Ansätze bieten wertvolle Einsichten und haben die politische Philosophie tiefgreifend beeinflusst. Während Platons Idealismus die Bedeutung von ethischen Prinzipien und Gemeinschaft betont, zeigt Machiavellis Pragmatismus die komplexen und oft brutalen Realitäten der Macht auf.

Es bleibt die Frage, inwiefern es den Herrschenden in der heutigen Zeit, unabhängig davon, ob es sich um wirtschaftliche oder politische Machtstrukturen handelt, der 'Freiraum' für ethisch-moralische Überlegungen und der Realisierung von Handlungsweisen bleibt, die ethisch einwandfrei aber rendite- und/oder stimm(ungs)gefährend sind, ohne dass es den Kopf des modernen Philosophenkönigs kosten würde. Und falls ein solcher Freiraum existieren würde, welcher Philosophenkönig von heute wäre bereit, sein persönliches Wohlergehen dem Wohl der Allgemeinheit unterzuordnen oder (sich selbst) zu opfern?
Müßig, sich darüber Gedanken zu machen, denn der letzte Philosophenkönig verließ schon vor Jahrhunderten auf dem letzten Einhorn unsere real existierende Welt.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann...  Fortsetzung folgt

 

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