Der Staat als Souverän und die Freund-Feind-Politik bei Carl Schmitt

Veröffentlicht am 5. April 2025 um 15:55

Kann es eine wahre Demokratie geben, wenn in Krisenzeiten das Prinzip der Souveränität über Freiheit und Recht siegt?
Carl Schmitt, einer der kontroversesten Denker des 20. Jahrhunderts, stellte die Rolle der Souveränität in den Mittelpunkt seiner politischen Theorie.

Im Kern seiner Gedankenwelt steht die Frage, wer in Extremsituationen die Macht besitzt, das politische Leben zu ordnen und gegebenenfalls die geltenden Regeln brechen kann, um den Staat zu schützen. Seine zentrale These lautet: 'Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.' Dieser Satz aus seinem Werk 'Politische Theologie' (1922) verdeutlicht Schmitts Verständnis von staatlicher Macht, die über das normale Rechts- und Verwaltungssystem hinausgeht.

Der Staat als Souverän und die Freund-Feind-Politik

Schmitts Theorie des Ausnahmezustands impliziert, dass in Zeiten der Krise – wenn der Staat in seiner Existenz bedroht ist – die legalen Normen aufgehoben werden dürfen, um das Überleben der politischen Ordnung zu sichern. Der Ausnahmezustand wird somit zu einem Akt der Souveränität, in dem die Regeln nicht mehr zählen und der Staat seine volle Macht entfaltet, um sich selbst zu schützen. Dies hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, da es die Möglichkeit schafft, Grundrechte und Freiheiten temporär außer Kraft zu setzen.

Ein weiteres Schlüsselkonzept in Schmitts Werk ist die berühmte Freund-Feind-Unterscheidung, die er in seinem Werk 'Der Begriff des Politischen' (1932) formuliert. Für Schmitt ist das Politische durch diese Dichotomie geprägt: Ein politisches Gemeinwesen entsteht durch eine klare Trennung von Freund und Feind. Der Feind ist dabei nicht einfach ein Konkurrent oder Gegner, sondern eine existenzielle Bedrohung für die Gemeinschaft. Diese Unterscheidung wird zu einem fundamentalen Akt der Selbstbehauptung und zu einer identitätsstiftenden Macht für den Staat.

Kritik an dem Regime des 'Sprechens'

Besonders provokativ ist Schmitts Kritik an der liberalen Demokratie und am Parlamentarismus, die er als ineffiziente, schwache Systeme verurteilt. In 'Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus' (1923) argumentiert Schmitt, dass der Liberalismus durch seine endlosen Debatten und Kompromisse handlungsunfähig sei. In einer Zeit der Krisen und der globalen Herausforderungen bräuchte es jedoch einen Staat, der schnell, entschieden und kompromisslos agieren kann. Die liberale Demokratie, die Schmitt als ein Regime des 'Sprechens' beschreibt, untergräbt die Fähigkeit des Staates, klare und entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, wenn es darauf ankommt.

Die Konsequenzen dieser Thesen waren weitreichend. Schmitt kritisierte nicht nur die Demokratie, sondern verteidigte auch die Vorstellung einer starken Exekutive und eines zentralisierten Staates, was ihn in den 1930er Jahren in das Lager der Nationalsozialisten führte. Seine politische Karriere während des Dritten Reiches bleibt bis heute ein dunkler Fleck in seinem Lebenswerk und seine Nähe zu autoritären Strukturen sorgte für anhaltende Kontroversen.

Eine Antwort, die bis dato fehlt

Die Frage, ob in extremen Situationen Freiheiten und Rechte zugunsten von Sicherheit und Ordnung geopfert werden sollen, war während der Corona-Pandemie direkt erlebbar. Grundrechte wurden zeitweise außer Kraft gesetzt, und bis heute fehlt es an klaren Antworten oder Konzepten, wie solche Eingriffe in Zukunft rechtlich und politisch bewältigt werden sollen. Die Eingangsfrage bleibt unbeantwortet: Kann es eine wahre Demokratie geben, wenn in Krisenzeiten das Prinzip der Souveränität über Freiheit und Recht siegt?

 

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