Die Umwertung der Werte: Friedrich Nietzsche und das Naturrecht

Veröffentlicht am 5. April 2025 um 15:56

Friedrich Nietzsche (1844–1900), bis heute  eine der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Figuren der modernen Philosophie. Bekannt für seine provokanten Ideen, die bestehende moralische und religiöse Werte in Frage stellen, bot Nietzsche eine radikale Kritik an der traditionellen Auffassung von Recht und Moral. Obwohl Nietzsche sich nicht direkt mit dem Naturrecht auseinandersetzte, haben seine Schriften tiefgreifende Implikationen für das Verständnis von Recht und Gerechtigkeit.

Sklaven- vs. Herrenmoral

Im Zentrum von Nietzsches Denken steht die Kritik an der sogenannten 'Sklavenmoral'. In seiner 'Genealogie der Moral' analysiert Nietzsche die Entstehung moralischer Werte und kommt zu dem Schluss, dass die christliche Moral, die in Europa vorherrscht, auf Ressentiment und Schwäche basiert. Diese Moral sei von den Schwachen geschaffen worden, um die Starken zu kontrollieren und zu unterdrücken. Nietzsche sieht hierin eine Verleugnung des Lebens, da die moralischen Werte der Sklavenmoral die natürlichen Triebe und Instinkte des Menschen unterdrücken.

Im Gegensatz zur Sklavenmoral steht für Nietzsche die 'Herrenmoral', die von den Starken und Selbstbewussten geprägt ist. Diese Moral ist nicht an universelle Gesetze gebunden, sondern basiert auf dem Willen zur Macht, der für Nietzsche der zentrale Antrieb des menschlichen Handelns ist. Die Herrenmoral betont Werte wie Stolz, Stärke und Selbstverwirklichung, die im Gegensatz zu den demütigen und selbstverleugnenden Werten der Sklavenmoral stehen.

Recht als Instrument der Macht

Was bedeutet dies für das Konzept des Naturrechts? Nietzsche lehnt die Vorstellung eines universellen, objektiven Rechts ab, das allen Menschen gleichermaßen zugrunde liegt. Stattdessen sieht er Recht und Moral als soziale Konstrukte, die von den herrschenden Mächten genutzt werden, um ihre Position zu sichern. Das Recht ist für Nietzsche nicht Ausdruck einer natürlichen Gerechtigkeit, sondern ein Instrument der Macht. In diesem Sinne ist das Naturrecht für Nietzsche eine Illusion, die dazu dient, bestehende Machtstrukturen zu legitimieren.

Umwertung der Werte

Nietzsche fordert daher eine 'Umwertung aller Werte' – eine radikale Neugestaltung der Moral und des Rechts, die nicht mehr auf universellen Prinzipien, sondern auf der kreativen Selbstbehauptung des Individuums basiert. Diese Umwertung zielt darauf ab, die moralischen und rechtlichen Normen zu zerstören, die das Leben und die Freiheit des Einzelnen einschränken. In dieser Hinsicht sieht Nietzsche das Recht nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas, das ständig neu geschaffen und geformt werden muss, um dem Willen zur Macht und der natürlichen Vitalität des Menschen gerecht zu werden.

Fazit

Nietzsches Philosophie beeinflusste das moderne Verständnis von Moral und Recht tief. Seine Kritik an der traditionellen Moral und seine Betonung des Willens zur Macht prägten nicht nur die Rechts- und Politikwissenschaften, sondern auch die Kultur- und Gesellschaftstheorien des 20. Jahrhunderts nachhaltig. In Bezug auf das Naturrecht bietet Nietzsche eine herausfordernde Perspektive, die die Idee von universeller Gerechtigkeit radikal in Frage stellt und stattdessen die Dynamik von Macht und Herrschaft ins Zentrum der Betrachtung rückt. Durch seine Forderung nach einer Umwertung aller Werte lädt Nietzsche uns ein, die Grundlagen unseres moralischen und rechtlichen Denkens neu zu überdenken und die verborgenen Machtstrukturen zu erkennen, die unser Verständnis von Recht und Gerechtigkeit prägen.

 

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