
Nachdem wir uns zuletzt mit John Locke und seinen optimistischen Vorstellungen vom Naturrecht und der Rolle des Staates auseinandergesetzt haben, wenden wir uns nun einem seiner einflussreichsten Vorgänger zu: Thomas Hobbes. Hobbes' Werk 'Leviathan' bietet eine düstere und realistische Perspektive auf die menschliche Natur und die Notwendigkeit eines starken Staates. In diesem Artikel werden wir Hobbes' Sichtweisen auf das Naturrecht untersuchen, seine Theorie des Gesellschaftsvertrags erklären und die Unterschiede zu Lockes Ansatz herausarbeiten.
Die Biografie von Thomas Hobbes in drei Sätzen
Thomas Hobbes wurde 1588 in Westport, England, geboren. Sein Leben war von den politischen Unruhen des englischen Bürgerkriegs geprägt, die seine politischen Theorien maßgeblich beeinflussten. Nach einem Studium in Oxford und einer intensiven Beschäftigung mit den Wissenschaften und der Philosophie entwickelte Hobbes seine bahnbrechenden Ideen, die er in seinem Hauptwerk "Leviathan" (1651) darlegte.
Hobbes' Naturzustand
Hobbes' Vorstellung vom Naturzustand der Menschheit ist düster und pessimistisch. Er beschreibt diesen Zustand als 'Krieg aller gegen alle' (bellum omnium contra omnes), in dem das Leben 'einsam, arm, ekelhaft, tierisch und kurz' sei. Sein Sprichwort 'homo homini lupus' (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf), verdeutlicht seine Überzeugung, dass Menschen ohne gesellschaftliche Ordnung in egoistischem und gewaltsamem Chaos leben würden. Im Gegensatz zu Locke, der an die grundlegende Vernunft und Kooperationsbereitschaft der Menschen glaubte, sah Hobbes den Menschen als ein von Natur aus egoistisch und gewaltbereites Wesen.
Der Gesellschaftsvertrag bei Hobbes
Um dem Chaos des Naturzustands zu entkommen, sollten die Menschen, laut Hobbes, einem Gesellschaftsvertrag zustimmen. Dieser Vertrag besteht darin, dass die Individuen ihre natürlichen Freiheiten aufgeben und sich einem souveränen Herrscher oder einer Regierung unterwerfen, die für Sicherheit und Ordnung sorgt. Diese Machtübertragung an den Herrscher oder die Regierung ist absolut und unumkehrbar, da nur so ein stabiler Frieden gewährleistet werden kann.
Hobbes' Leviathan
Der Leviathan, ein biblisches Seeungeheuer, dient Hobbes als Metapher für den allmächtigen Staat, der aus dem Gesellschaftsvertrag hervorgeht. Der Leviathan repräsentiert eine ungeteilte, zentrale Autorität, die alle Bereiche des Lebens kontrolliert, um den Frieden zu sichern. Hobbes argumentiert, dass ohne einen solchen mächtigen Staat das Leben im Naturzustand verharren würde.
Unterschiede zu Locke
Während Locke einen begrenzten, verfassungsmäßigen Staat befürwortete, der die natürlichen Rechte der Menschen schützt, vertrat Hobbes die Ansicht, dass individuelle Rechte zugunsten der kollektiven Sicherheit und Ordnung geopfert werden müssen. Locke sah die Menschen als fähig zur Vernunft und Kooperation, wohingegen Hobbes die menschliche Natur als grundsätzlich konfliktträchtig und selbstsüchtig betrachtete.
Hobbes' Ideen waren kontrovers, fanden aber bedeutenden Einfluss in der politischen Philosophie. Seine pessimistischen Ansichten über die menschliche Natur und die Notwendigkeit eines starken Staates inspirierten sowohl Kritiker als auch Befürworter. Viele moderne politische Theorien und Debatten über Sicherheit und Autorität wurzeln in Hobbes' Werk.
Fazit
Thomas Hobbes' Schrift 'Leviathan' bleibt ein monumentales Werk der politischen Philosophie, das die Grundlagen des Naturrechts und des Gesellschaftsvertrags auf eine radikal andere Weise als Locke interpretiert. Seine düstere Sicht auf die menschliche Natur und seine Forderung nach einem allmächtigen Staat bieten einen kritischen Gegenpol zu den optimistischen Theorien der Aufklärung. Indem wir Hobbes und Locke nebeneinander betrachten, gewinnen wir ein tieferes Verständnis der vielfältigen Ansätze und Herausforderungen innerhalb der politischen Philosophie.
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