
William von Ockham (1287–1347) war ein Franziskanermönch und Philosoph, dessen Werk die Scholastik nachhaltig prägte und eine Wende in der mittelalterlichen Philosophie einleitete. Ockham wird vor allem mit dem Nominalismus in Verbindung gebracht, einer Denkrichtung, die universale Begriffe nicht als real existierend betrachtet, sondern als bloße Namen (lateinisch: nomina). Sein Ansatz reduzierte die Komplexität scholastischer Systeme und bereitete den Weg für das moderne empirische Denken.
Sein und Bewusstsein bei Ockham
Ockham argumentierte, dass die Existenz Gottes und anderer metaphysischer Wahrheiten nicht durch die Vernunft allein bewiesen werden können, sondern auf dem Glauben beruhen müssen. Damit widersprach er zentralen Annahmen seiner Vorgänger, insbesondere Duns Scotus und Thomas von Aquin.
Eines seiner berühmtesten Prinzipien ist das sogenannte 'Ockhams Rasiermesser': 'Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem' (Wesenheiten sollen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden). Dieses Prinzip fordert, dass man in der Philosophie und Wissenschaft keine unnötigen Hypothesen aufstellen soll. Für Ockham bedeutete dies, dass universelle Begriffe – etwa 'Menschheit' – nicht real existieren, sondern nur sprachliche Konventionen sind. Die einzige Realität, so Ockham, liegt in den individuellen Dingen selbst.
Sein Ansatz hatte auch Auswirkungen auf das Bewusstsein. Ockham betonte die Rolle der direkten Wahrnehmung und Erfahrung. Wissen entsteht nicht durch abstrakte Begriffe, sondern durch die Begegnung mit der konkreten Realität. Diese Denkweise leitete eine Abkehr von der metaphysischen Ontologie hin zu einer stärker empirischen Erkenntnistheorie ein.
Gegenpositionen und Kritik
Ockhams radikaler Nominalismus stieß auf erheblichen Widerstand. Insbesondere die Befürworter des Realismus, wie die von Duns Scotus und Thomas von Aquin, sahen in seinem Ansatz eine Gefahr für die Theologie. Wenn universelle Begriffe wie 'Gutheit' oder 'Gerechtigkeit' bloße Namen sind, wie kann man dann über Gott sprechen, der diese Eigenschaften in ihrer Vollkommenheit verkörpert?
Ein zentraler Kritiker Ockhams war Walter Burley, ein Realist und Zeitgenosse Ockhams. Burley argumentierte, dass universelle Begriffe tatsächlich existieren, da sie notwendig sind, um die Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Individuen zu erklären. Ohne universelle Begriffe, so Burley, verliere die Philosophie ihre Grundlage.
Darüber hinaus sahen viele Theologen in Ockhams Betonung des Glaubens als einzige Quelle für religiöse Wahrheiten eine Bedrohung für die Vernunfttheologie. Seine Ideen wurden schließlich von der Kirche als potenziell häretisch eingestuft, was zu Ockhams Konflikt mit Papst Johannes XXII. führte.
Bedeutung und Vermächtnis
Ockhams Philosophie markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Scholastik. Sein Nominalismus, seine Betonung der Erfahrung und sein skeptischer Zugang zur Metaphysik trugen dazu bei, die mittelalterliche Philosophie aufzubrechen und den Weg für die Moderne zu ebnen. Die Auswirkungen seines Denkens sind insbesondere in der empirischen Wissenschaft und der analytischen Philosophie spürbar.
Mit seinem Fokus auf die Individualität und die Ablehnung unnötiger metaphysischer Annahmen war Ockham nicht nur ein Vorläufer des modernen wissenschaftlichen Denkens, sondern auch ein Kritiker der scholastischen Überkomplexität. Trotz der Widerstände gegen seine Ideen bleibt er eine Schlüsselfigur in der Philosophiegeschichte, die sowohl Bewunderung als auch Kontroversen hervorruft.
Maurer, Armand. (1999). The Philosophy of William of Ockham in the Light of its Principles. Toronto: Pontifical Institute of Mediaeval Studies.
Courtenay, William J. (2008). Ockham and Ockhamism: Studies in the Dissemination and Impact of his Thought. Leiden: Brill.
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