
John Finnis, ein bedeutender zeitgenössischer Philosoph und Jurist, hat das uralte Naturrecht neu interpretiert und seine Arbeit ist zu einer Brücke zwischen der klassischen Naturrechtstradition und modernen rechtstheoretischen Ansätzen geworden. Finnis ist vor allem durch sein Werk 'Natural Law and Natural Rights' (1980) bekannt geworden, in dem er eine kohärente und umfassende Theorie des Naturrechts entwickelt.
Das Konzept der Grundgüter (basic goods)
Finnis greift in seiner Theorie auf die klassische Naturrechtslehre zurück, insbesondere auf Thomas von Aquin, und aktualisiert diese für die Herausforderungen der Gegenwart. Sein Hauptanliegen besteht darin, die objektive Grundlage moralischer und rechtlicher Normen zu untersuchen und zu begründen. Dabei widersetzt er sich dem moralischen Relativismus und setzt sich für universell gültige Prinzipien ein, die unabhängig von kulturellen oder historischen Kontexten bestehen.
Zentral für Finnis' Theorie ist das Konzept der Grundgüter (basic goods). Diese Grundgüter sind fundamentale Aspekte des menschlichen Lebens, die für das menschliche Wohl unabdingbar sind. Dazu zählen unter anderem das Leben selbst, der Zugang und die Aneignung von Wissen, Spiel, ästhetische Erfahrungen, Freundschaft, praktische Vernunft und Religion. Finnis argumentiert, dass diese Grundgüter in sich gut und wertvoll seien und dass das menschliche Handeln darauf ausgerichtet sein sollte, diese wertzuschätzen und weiterzuentwickeln.
Finnis betont, dass das Recht eine wesentliche Rolle dabei spielt, diese Grundgüter zu schützen und zu fördern. Das Naturrecht liefert ihm dabei die objektiven Kriterien, um positive Rechtsnormen zu bewerten. Recht und Moral sind für Finnis eng miteinander verbunden, da das Recht nicht nur auf der Durchsetzung von Macht, sondern auf der Verwirklichung von Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl basieren sollte.
Das Naturrecht als Grundlage einer modernen Rechtsordnung
Eine zentrale Frage in Finnis' Werk ist, wie das Naturrecht in modernen pluralistischen Gesellschaften angewendet werden kann. Er argumentiert, dass das Naturrecht nicht im Widerspruch zur Demokratie stehen muss, sondern vielmehr als Grundlage für eine gerechte und moralisch fundierte Rechtsordnung dienen kann. Dabei betont er die Bedeutung der praktischen Vernunft und der gemeinsamen Suche nach dem Guten, das alle Menschen verbindet.
Finnis' Arbeit hat sowohl in der Rechtsphilosophie als auch in der politischen Theorie weitreichende Debatten ausgelöst. Kritiker werfen ihm vor, dass seine Theorie zu stark auf moralische Absolutismen setzt und den kulturellen und sozialen Kontext vernachlässigt. Befürworter hingegen schätzen seine klare und systematische Argumentation, die eine fundierte Alternative zum moralischen Relativismus und positivistischen Rechtstheorien bietet.
Fazit
John Finnis' Theorie des Naturrechts ist eine moderne Interpretation eines uralten Konzepts. Sie stellt einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Rolle des Rechts in der Gesellschaft im Allgemeinen dar. Finnis fordert dazu auf, über die Grundlagen und die Ziele von Recht und Gerechtigkeit in einer modernen und offenen Gesellschaft nachzudenken.
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